Aufgrund des Gesetzes zur Umsetzung der Aktionärsrechterichtlinie II (ARUG II), das im Juni 2019 in Kraft trat, ist die Aktionärsanalyse weniger kompliziert als zuvor. Als Emittent können Sie die Verwahrkette Ihrer Aktien bis zu den wirtschaftlichen Eigentümern verfolgen und können Zugang zur Identität aller Investoren erhalten, die zumindest 0,5% Ihrer Aktien halten. In einigen EU-Mitgliedsstaaten gibt es keine Mindestschwelle, was gestattet, sämtliche Aktionäre zu identifizieren.
Bereits binnen eines Jahres nach Einführung der ARUG II in den EU-Ländern nutzten die Investor-Relations-Verantwortlichen (Investor Relations Officers, IROs) diese neue Freiheit im Rahmen ihrer Strategien zum Dialog mit den Investoren. Bei einem Euronext-Webinar unter dem Titel „A practical view on the implementation of SRD II”, gaben 40% der während des Events befragten IROs an, dass sie die Häufigkeit der Aktionärsanalysen wegen der zusätzlichen Transparenz von ARUG II erhöhen würden.
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Was ist eine Aktionärsanalyse?
Eine Aktionärsanalyse ist der Prozess zum besseren Verständnis der Handlungen und Ihrer Investoren und der Beweggründe dahinter. Dazu gehört eine Analyse der bisherigen Handlungen, des Abstimm-Verhaltens und von einer Reihe von anderen Faktoren, um damit das Folgende zu erreichen: Identifizierung von potenziellen Abstimm-Absichten und -Strategien, Auffinden von Beteiligungslücken und Vergleich der eigenen Aktionärsbasis mit jener Ihrer Vergleichsunternehmen.
Mit den vorhandenen Informationen können Sie beurteilen, welche Art von Investoren Sie ins Visier nehmen möchten, mit wem bevorzugt kommuniziert werden sollte, und wie Sie Ihre Investor Relations (IR)-Botschaften verfeinern können, um einen größeren Anteil Ihrer bestehenden Aktionäre zu erreichen.
Hinzu kommt ein Compliance-Aspekt: Indem Sie die erhaltenen Daten zur Identifizierung von Aktionären analysieren, können Sie sicherstellen, dass Sie keine Vorschriften von Drittländern hinsichtlich der letztendlichen wirtschaftlichen Eigentümer ihrer Aktien verletzen.
Was sind die Ziele einer Aktionärsanalyse?
Identifizieren Ihrer Zielaktionäre
Die Auswahl von Investoren ist für Ihr Unternehmen wichtig, da dadurch ein Mehrwert geschaffen werden kann. Durch die Analyse Ihrer Aktionäre können Sie erkennen, welche Investoren-Gruppen Sie zurzeit anziehen, um daraufhin abhängig von Ihrer Strategie mehr von diesen Investoren zu gewinnen oder aber eine Diversifizierung Ihrer Zielgruppe ins Auge zu fassen. Wenn durch die Analyse Investoren identifiziert werden, die Aktien Ihrer Vergleichsunternehmen bzw. in Ihrem Sektor halten, aber nicht von Ihrem Unternehmen, können Sie einen Plan entwerfen, um mit diese Investoren Kontakt aufzunehmen.
Verstehen der Investitionsstrategien
Durch die Analyse der Handlungen der Investoren können Sie Einblicke in deren Investitionsstrategien erhalten. Was Ihnen als Aktienemittent wiederum hilft, effizienter vorzugehen. Wenn Ihr Investor-Relations-Team versteht, wie die Aktionäre ihre Ziele erreichen möchten, kann es mit den Aktionären so kommunizieren, die ihre Erwartungen erfüllt werden. Einsichten dieser Art helfen Ihnen auch vorherzusehen, wie die Investoren vermutlich abstimmen und wie lange sie voraussichtlich Ihre Aktien halten werden.
Einordnen der Investitionen von Kleinanlegern
Kleinanleger unterscheiden sich beträchtlich von institutionellen Investoren, weshalb es sich lohnt, zu wissen, welcher Anteil Ihrer Aktien in deren Händen ist. Seit dem Beginn der COVID-19-Pandemie haben viele Unternehmen einen starken Zuwachs von Kleinanlegern zu verzeichnen. In den 14 Monaten zwischen März 2020 und Mai 2021 gab es nur zwei Monate, in denen Kleinanleger auf den Euronext-Märkten mehr verkauften, als sie kauften; es entsteht daher der Eindruck, als würden Kleinaktionäre eine zunehmend wichtige Rolle spielen.
Im Allgemeinen suchen Kleinanleger mit ihren Investitionen langfristige Vorteile, und Umwelt, soziale Verantwortung und gute Unternehmensführung (ESG) sind ihnen ein großes Anliegen. Eine Umfrage hat herausgefunden, dass die Hälfte der französischen Kleinanleger während der Pandemie investierte, um heimische Unternehmen direkt zu unterstützen. Solche Verhaltensweisen könnten Ihre IR-Strategie durchaus beeinflussen, wenn der Anteil Ihrer Kleinanleger hoch ist.
Entdecken von aktivistischen Fonds
Durch die Analyse von Informationen über Ihre Aktionäre ist es Ihnen möglich, aktivistische Anleger zu entdecken, ehe sie Ihrer Geschäftsführung Kopfschmerzen bereiten. Wenn man das Verhalten von Aktivisten vorhersieht, kann man planen, wie man am besten mit ihnen umgeht und auf diese Weise Störungen im Unternehmen minimiert.
Verbessern der Kontaktpflege mit den Aktionären
Wenn Sie genau wissen, mit wem sie kommunizieren, werden sich die Qualität und der Erfolg im Kontakt mit den Aktionären verbessern. Es hilft Ihnen auch, die wertvolle Zeit, die Ihre Führungsetage im Austausch mit den wichtigsten Aktionären aufbringen kann, effizienter zu nutzen.
Dabei geht es nicht unbedingt um die größten Aktionäre. Vielmehr sollten die Aktionäre im Vordergrund stehen, mit denen Ihr Vorstand die produktivsten und wertvollsten Gespräche führen kann. Wie wahrscheinlich ist es zum Beispiel, dass ein Austausch mit einem Investor zu einem veränderten Abstimmungsverhalten führt? Ihre Aktionärsanalyse kann Ihnen helfen, dies vorherzusehen und die am besten geeignete Strategie zur Kontaktpflege zu wählen.
Wie man Aktionärsanalysen durchführt
1. Analyse des ökonomischen Umfelds
Das wesentlichste Ziel einer Aktionärsanalyse besteht darin, die Vielzahl von Akteuren, die in Ihr Unternehmen investiert haben, zu verstehen. Es kann Zeiten geben, in denen sich nicht sehr viel ändert, aber dann kann es wiederum Situationen geben, in denen Ihre Aktionärsbasis größeren Veränderungen ausgesetzt ist.
Während und nach Zeiten großer Unbeständigkeit ist es wichtig, dass Sie Ihre Aktionäre analysieren und verstehen, wer seine Investitionen beibehalten hat, wer zugekauft hat und wer Aktien Ihres Unternehmens verkauft hat.
Euronext hat herausgefunden, dass während der COVID-19-Krise viele Investoren „ihren Aktienbestand im Abschwung aufgrund der außerordentlichen Volatilität beibehielten und nicht in der Lage waren, ihre Vermögenswerte nachhaltig umzuschichten”. Und infolge gab es „pragmatische Entscheidungen in der Aufschwungsphase, um die Liquidität zu bewahren, für den Fall künftiger Entnahmen und zu erwartender Volatilitätsspitzen”.
2. Lokalisierung Ihrer wichtigsten Aktionäre
Wenn Sie Ihre Aktionäre analysieren, sind Sie in der Lage zu verstehen, wie Ihre größten Aktionäre operieren und können dies in Ihre Kontaktpflege einfließen lassen. So können Sie etwa die einflussreichsten Investoren identifizieren und jene, die die wesentlichsten Beteiligungen halten. Und Sie können verfolgen, wie und wann diese Investoren Ihre Aktien kaufen bzw. verkaufen.
Es ist ferner möglich herauszufinden, wie die Investoren auf Unternehmensmitteilungen und frühere Aktionärsveranstaltungen reagiert haben, wie auch auf Veränderungen der Dividendenpolitik u. ä. Das gibt Ihnen Hinweise, wie Sie künftig mit den Aktionären kommunizieren sollten und was Sie in bestimmten Situationen erwarten können.
3. Offenlegung Ihrer neuen Aktionäre
IROs sollten sich immer um Kontakte mit ihren neuen Aktionären bemühen – eine Aktionärsanalyse hilft ihnen, diese zu identifizieren. Wenn es unter Ihren Aktionären neue Investoren gibt, werden diese sich umso eher wertgeschätzt fühlen, je früher Sie mit ihnen Kontakt aufnehmen und einen Dialog beginnen. Das hilft Ihnen, Loyalität und Vertrauen zwischen Emittent und Investor aufzubauen.
4. Verstehen der geografischen Verteilung Ihrer Aktionäre
Wenn Sie wissen, wo Ihre Aktionäre ansässig sind, ist es Ihnen möglich, die Risiken der gegenwärtigen Aktionärsbasis einzuschätzen. Wenn sich all Ihre Investoren im selben Land befinden, könnte das die Tatsache widerspiegeln, dass Sie vor allem auf diese Region fokussiert sind. Falls Bedenken hinsichtlich einer Krisenregion bestehen, könnten sich daraus Probleme für das Unternehmen ergeben.
Wenn andererseits die Aktionäre eines Emittenten über viele Länder verteilt sind, ist es wahrscheinlicher, dass eine Situation eintritt, in der gegen eine bestimmte Region, in der Aktionäre ansässig sind, Sanktionen verhängt werden. So wurden beispielsweise in den vergangenen Monaten viele russische Vermögenswerte in der Europäischen Union eingefroren.
Die ideale geografische Verteilung für Ihr Unternehmen hängt von Ihren Prioritäten ab – sie können durchaus beginnen, diese als Teil Ihrer Aktionärsanalyse festzulegen.
5. Verstehen der Stimmungslage der Aktionäre
Eine Analyse Ihres Aktionariats ermöglicht es, Einblicke in die vorherrschende Stimmungslage unter Ihren Aktionären zu bekommen. Sie können beispielsweise herausfinden, was die Aktionäre über nachhaltige Investition denken, was Ihnen wiederum helfen kann, Ihre ESG-Strategie weiterzuentwickeln.
Die Analyse ermöglicht Ihnen außerdem, Anlagestile innerhalb Ihrer Aktionärsbasis zu verfolgen. Sie können prüfen, ob ein Wandel im Verhältnis zwischen aktiven und passiven Investitionen sowie andere Veränderungen in Bezug auf den Anlagestil stattgefunden haben, die eine Auswirkung darauf haben könnten, wie Sie künftig mit Investoren interagieren.
6. Analyse der Aktionäre Ihrer Vergleichsunternehmen
Wenn es Ihnen möglich ist festzustellen, wer ein erhöhtes Engagement in Ihrem Sektor zeigt, und verstärkt in Ihre Vergleichsunternehmen investiert, können Sie die entsprechenden Investoren kurzfristig gezielt ansprechen. Wenn diese Investoren über Interesse und Kenntnisse in Ihrem Bereich verfügen, werden sie vermutlich bereits Einiges über Ihr Unternehmen wissen, was Ihnen einen Weg zur Kontaktaufnahme mit ihnen erleichtert.
Häufig gestellte Fragen
Wie beeinflusst ARUG II die Aktionärsanalyse?
Die Möglichkeit, Aktionäre zu identifizieren, stellt eine echte Gelegenheit für Emittenten im Hinblick auf eine effiziente Aktionärsanalyse dar. Damit ist die Grundlage für eine detaillierte, strategische Expertenanalyse gegeben.
Welche Auswirkung hat die wachsende Zahl von Kleininvestoren?
Mit einer zunehmenden Zahl von Kleininvestoren wird es schwieriger vorherzusagen, wie Ihre Aktionäre auf Ereignisse reagieren werden. Sie verfügen aller Wahrscheinlichkeit nach über weniger tiefe Einblicke in den Markt, um in Krisenzeiten die größeren Zusammenhänge zu erkennen. Obwohl IROs oft vorhersagen können, wie institutionelle Investoren reagieren werden, ist eine Einschätzung des Verhaltens von Kleininvestoren nicht so klar.
Kann Ihnen die Aktionärsanalyse bei der Vorbereitung auf Ihre Hauptversammlung helfen?
Eine Aktionärsanalyse ist ein wesentliches Element zur Vorbereitung Ihrer Hauptversammlung. Die Analyse hilft Ihnen festzulegen, wie Sie an die Veranstaltung herangehen wollen im Hinblick auf eine Abschätzung potenzieller Reaktionen auf jüngste Herausforderungen, denen Ihr Unternehmen womöglich ausgesetzt war. So sind Sie in der Lage, Ihre Aktionäre umfassender einzubinden und sie auf Ihre Seite zu bringen.
FazitEine Aktionärsanalyse ist unerlässlich für Ihre Investor-Relations-Strategie. Wenn Sie wirklich verstehen, wer Ihr Unternehmen hält und was die Pläne, Motive, Anliegen und Vorlieben der Investoren sind, können Sie Ihre Bemühungen zur Kontaktpflege besser maßschneidern. Dadurch werden Ihre Interaktionen wirksamer und erfolgreicher, und Sie bauen eine gute Beziehung zwischen Emittent und Aktionär auf. Wenn Sie eine detaillierte dynamische Aktionärsanalyse sowie Tipps und Empfehlungen für Ihr IR-Team erhalten möchten, können Ihnen die Shareholder-Analysis-Experten bei Euronext Corporate Services behilflich sein. Fordern Sie noch heute eine Demo an und entdecken Sie, wie Sie Ihre IR-Strategie unmittelbar anpassen können. |
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